Themenmonat: Afrika und Medien – Das Drama eines Kontinents in den Medien. Von Joel Kossivi

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Afrika und Medien
Das Drama eines Kontinents in den Medien – Aus historischer Perspektive

 

Seitdem die EuropäerInnen den AfrikanerInnen im 16. Jahrhundert begegnet sind, wird ihr Interesse an Afrika nie weniger. Dieses Interesse an Afrika war immer sehr groß gewesen. Auch heute im 21. Jahrhundert ist das europäische Interesse an Afrika größer denn je. Das Interesse, das vor allem wirtschaftlich war und ist, musste und muss sich rechtfertigen. Das Interesse von Europa an Afrika war nach wie vor wirtschaftlich, da die konkurrenz-orientierte kapitalistische Wirtschaft die europäische Grenze verlängern musste. Der Kapitalismus, der eine endlose Optimierung der Wirtschaft mit allen Mitteln forderte, war der Vater des Imperialismus. Auf der Suche nach mehr Mitteln, um die Bedürfnisse des Kapitalismus zu befriedigen, befanden sich die europäischen Seefahrer und Entdecker an der afrikanischen Küste.

Nicht nur Ignoranz, sondern auch böser Wille führten die Europäer dazu, die neu entdeckten Menschen als Untermenschen zu kategorisieren und zu hierarchisieren. Um die AfrikanerInnen zu versklaven, und sie als Tiere zu behandeln, damit sie für die Minen der kapitalistischen Wirtschaft arbeiten konnten und später ihre Rohstoffe auszubeuten, mussten die Europäer beweisen, dass die AfrikanerInnen in der Tat keine ebenbürtigen Menschen waren. Für diesen menschenverachtenden Zweck brauchten die Reichen Kapitalisten Missionare und Intellektuelle. Die Missionare hatten die Aufgabe, die AfrikanerInnen zu entzivilisieren, indem sie behaupteten, diese hätten keinen Gott und seien gottlose Barbaren. Durch die Evangelisierung wollten die betroffenen europäischen Mächte die afrikanische Kultur destabilisieren, um ihre eigene Ideologie zu etablieren. Die europäischen Intellektuellen wurden gefordert, empirische „wissenschaftliche“ Artikel und Bücher zu publizieren, die beweisen sollten, warum und wie diese AfrikanerInnen tatsächlich den EuropäerInnen nicht ebenbürtig waren. In diesem Bereich werden später viele Namen bekannt: Thomas Hobbes 1588- 1679, John Locke 1632-1704, François Bernier 1625-1688, Georgius Hornius 1620-1670, Immanuel Kant 1724-1804, Arthur de Gobineau 1816-1882, Carl von Linné 1707-1778 usw.

Obwohl diese Autoren zum Teil hervorragende Historiker, Schriftsteller, Philosophen und Naturwissenschaftler waren und viele Werke über andere Themen geschrieben hatten, hatten sie eine falsche These gemeinsam: der schwarze Mensch sei dem weißen Menschen unterlegen. Um dem großen europäischen Publikum die Arbeiten dieser Autoren über die „Rassen“ bekannt zu machen, fingen die Kolonialherren in den 1920er Jahren eine erbitterte Propaganda an. Diese Propaganda lief zum Teil durch die Medien – Radio, Zeitung und später Fernseher –, durch Bildungsprogramme in Schulen und Universitäten und durch Kolonialausstellungen. Das Ziel der Propaganda war es, die ganzen Bevölkerungen der jeweiligen betroffenen europäischen imperialistischen Mächte zu informieren und zu überzeugen, dass die Schwarzen den Weißen unterliegen würden. Die erwartete Rückreaktion seitens der Bevölkerung war, dass sie die imperialistische Politik des gewinnorientierten Kapitalismus unterstützten. Während der Propaganda in den 1920 Jahren gab es in Deutschland die Deutsche Kolonial Gesellschaft (DKG), die eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von rassistischen und kolonialistischen Ideologien in Schulen und in außerschulischen Orten gespielt hatte. Die DKG hatte ebenfalls ihre Meinung in Zeitschriften veröffentlicht wie zum Beispiel die Deutsche Kolonialzeitung, Der Kolonialdeutsche und die Übersee- und Kolonialzeitung. Zusätzlich gab es zur Zeit der Propaganda andere Zeitschriften wie zum Beispiel die Koloniale Rundschau, das Deutsche Kolonialblatt.

Diese Zeitschriften publizierten Ereignisse und angebliche „Fakten“, die beweisen wollten, dass die Kolonialisierten Wilden die Unterstützung der besseren Kolonialherren brauchten. Hier wurde der schwarze Mensch als unfähig dargestellt. Unfähig sich selbst zu regieren, unfähig für sich aufzukommen, unfähig für sich genügend Nahrung zu schaffen, unfähig sich zu heilen, unfähig seine Kinder zu ernähren, unfähig sich seines Verstandes zu bedienen, unfähig diszipliniert zu arbeiten, unfähig seine Meinung zu sagen, unfähig selbst seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen, unfähig eine harmonisierende Gesellschaft mit verschiedenen ethnischen Gruppen aufzubauen, unfähig mit den Weißen auf Augenhöhe zu verhandeln, unfähig ein Mensch wie jeder andere zu sein. Darüber hinaus wurde die afrikanische Landschaft als traumhafte Landschaft dargestellt, in der ein Haufen von wilden Menschen lebte: Ja, da lebten die Edlen Wilden! Ich möchte jedoch hier darauf aufmerksam machen, dass diese Zeitschriften die ersten Zeitungen waren, die in Europa über Afrika berichteten. Sie werden die Berichterstattung über Afrika für immer prägen.

Das Afrikabild, das wir in den westlichen Medien haben, spiegelt im heutigen Zeitalter der hyperkapitalistischen Globalisierung immer noch die Gedanken und Ideologien wider, die es damals in den o.g. Zeitschriften gab. Heute sehen wir Bilder und Videos im Fernsehen, die nichts anderes als die wilde afrikanische Landschaft loben und die Menschen aus Afrika als die Wilden darstellen. Deutsche Sendungen wie „Die strengsten Eltern der Welt“, „Endstation Wildnis“, „Wild Girls“ oder „Reality Queens auf Safari“ zeigen immer noch die afrikanische Wildnis als ein Ort der Selbstoptimierung und der Grenzerfahrung. Der europäische Mensch, der es zu gut in Europa hat, braucht mal „schlechte“ Erfahrungen in der afrikanischen Wildnis, um sich zu verbessern. Er braucht die Natur. Er braucht die Tiere. Er soll raus aus der Zivilisation gehen. Er braucht wieder die moralischen und erzieherischen Regeln der Edlen Wilden, die noch mit strengen moralischen Vorstellungen leben. An sich ist dieses a priori nicht schlimm. Die Gefahr jedoch liegt hier in der Tatsache, dass die europäischen Medien dieses einzige Bild von Afrika darstellen, und zwar seit Jahrzehnten. Was werden denn Menschen aus Europa letztendlich über Afrika und AfrikanerInnen denken? Was sollen die westlichen BürgerInnen über Afrika unter solchen Bedingungen verinnerlichen?

Die westlichen Medien haben immer wieder dieselben Stereotypen solange reproduziert, dass es „normal“, selbstverständlich und fast wie eine Mode geworden ist, dass man Afrika immer nur als Synonyme von negativ, Hunger, Krieg, Armut, AIDS, unfähigen PolitikerInnen, Diktatur, Islamisten, sinnlosen ethnischen Konflikten, wilden Menschen, Wildnis, Krankheit, Schwarzer Magie, Wahrsager, Voodoo und Esoterik darstellt.

Diese Medien – Zeitschriften, Fernsehen, Radio, Internet – kopieren sich gegenseitig und „entwickeln“ sich in dieselbe Richtung, was Afrika angeht. Im Laufe der Zeit hat sich das westliche Publikum an solche exotische Bilder gewöhnt und verlangt danach. Diese Gegebenheit hat einen Teufelskreis geschaffen, aus dem die Medien nur schwer herauskommen. Es gibt selten Medieninstitutionen, die sich diesem allgemein geltenden Trend enthalten. Wenn es um Afrika geht, möchte man keine Hochhäuser sehen. Nein. Das kennt man schon. Man will nicht hören, dass es wirtschaftlichen Aufschwung in vielen afrikanischen Ländern gibt. Man will nicht in der Zeitung lesen, dass während des Bürgerkrieges an der Elfenbeinküste Didier Drogba eine versöhnende Rolle gespielt hatte, indem er durch seine Persönlichkeit als bester Fußballer des Landes durch Vorträge und zahlreichen Reden zerstrittene ethnische Gruppen wieder zusammengeführt hatte. Man will nicht lesen, dass auch Olunshegun Obassanjo, ein nigerianischer Präsident, so stark gegen die Korruption kämpfte, dass er ein Gründungsmitglied von Transparency International gewesen ist. Warum soll man berichten, dass es auch in Afrika viele Staaten gibt, die eine funktionierende Demokratie mit einer aktiven Zivilgesellschaft aufgebaut haben?

Wenn es um Afrika geht, will man keine „normalen“ Menschen, sondern die „Wilden“ in einem namibischen Dorf sehen. Man hat eher Lust einen afrikanischen Menschen zu sehen, der einem an die Völkerschauen erinnert. Die Völkerschau war einer der höchsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westlichen Geschichte. Hier wurden Menschen wie Tiere ausgestellt. Die afrikanischen Menschen, die als Wilde gesehen wurden, wurden nach Europa und Nordamerika gebracht, um dort ihre Wildheit zu beweisen. Sie wurden zu den anthropologisch-zoologischen Ausstellungen gebracht. Ganz so wie man heute Tiere aus Afrika nach Europa bringt, um sie im Zoo auszustellen. Der europäische weiße Mensch, der ein „echter“ Mensch war, kam zu den Völkerschauen, um zu beobachten, wie sich diese „Affen“ verhielten, wie sie Musik machten, und wie sie ihren „harten“, „brutalen“, „gewaltigen“ und nackten Körper bewegten. Hier muss erwähnt werden, dass zwischen 1870 und 1940 diese Völkerschauen sehr beliebt waren und von Millionen westlichen BürgerInnen besucht wurden. Das war ein Massenphänomen. Den AfrikanerInnen wurden Bananen zugeworfen, da man überzeugt war, dass sie keine Menschen waren. Man kann sich vorstellen, dass diese Völkerschauen ganz stark von den damaligen Medien begleitet wurden. Die Völkerschauen waren ein großes Thema für die Medien. Es wurde in den Zeitungen berichtet, wie wild diese AfrikanerInnen waren und was ihre Wildheit ausmachte. Nicht zuletzt waren Radio und Fernsehsendungen über die Völkerschauen häufig und sehr beliebt. Und da die heutigen großen Medien sich selbst nie in Frage stellen, reproduzieren sie bewusst und unbewusst dieses Bild der AfrikanerInnen. Daher gibt es viele westliche BürgerInnen, die immer diese Bilder im Kopf haben. Das ist auch einer der Gründe, warum afrikanische Fußballspieler auch im 21. Jahrhundert in Europa Opfer von Rassismus sind. Die Menschen, die den afrikanischen Fußballspielern Bananen zuwerfen, haben sich noch nicht von den Ursachen der Propaganda gelöst. Sie sind Opfer dieser Propaganda ohne dies zu wissen. Sie leben immer noch in der Illusion der Kolonialisten und der Nazis. Die traurige Wahrheit ist, dass es Millionen westliche BürgerInnen gibt, die noch in der Illusion der Rassisten leben. Manche dieser „besten“ EuropäerInnen, die Bananen werfen, wissen ganz genau, dass sie mit falschen Stereotypen zu tun haben, trotzdem tun sie dies, um diese Spieler bewusst zu provozieren.

Die westlichen Medien wissen, was geht und was nicht geht, wenn es um das Afrikabild geht. Ein Geschehnis bzw. eine Story hat nur dann eine Chance, wenn sie den Erwartungshaltungen entspricht, die die westlichen Medien gegenüber Afrika haben. Eine realistische, den Alltag beschreibende mediale Darstellung, die sich hingegen nicht nur auf das Negative konzentriert, hat keine Chance.

Jedoch ist dies nur die eine Seite des Dramas Afrikas in den Medien. In Afrika selbst sehen sich die Menschen zum Glück nicht als Untermenschen, Unterentwickelte, Unfähige und Kranke. Jedoch ist die Darstellung Afrikas in den afrikanischen Massenmedien weit von einer realistischen Darstellung entfernt. Auch in Afrika wird Europa in den Medien als Paradies und Afrika als Hölle dargestellt. Die europäischen Konflikte, Menschenhandel, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Gewalt, Rassismus und wirtschaftliche Krisen die ebenfalls ernsthafte Probleme darstellen, kommen selten in den afrikanischen Nachrichten vor. Es wird überwiegend über die Krisen Afrikas berichtet. Europa kommt dann in Frage, wenn man wieder über ein Entwicklungsprojekt berichten will, bei dem Europa als Geldgeber auftritt. Darüber hinaus werden in den meisten afrikanischen Fernsehsendungen häufig Telenovelas ausgestrahlt, bei denen Europa und Nordamerika als absolute Traumorte dargestellt werden, wo es sich gut leben lässt und die Menschen nur reich und schön sind. Das alte Bild des „überlegenen“ europäischen Kolonialherrn ist nach wie vor in den Medien vorhanden. Die europäische Implikation in afrikanischen Konflikten wird nicht nachgeforscht und in den Medien veröffentlicht. Dabei werden ständig nur über die afrikanischen Diktatoren, Korruption und Rebellen berichtet. Über die positiven afrikanischen Entwicklungen im Sport, in der Musik, in der Wissenschaft und in der Wirtschaft wird nicht ausreichend berichtet.

Das Afrikabild in den Medien in Afrika und im Westen ist ein Desaster. Ein Desaster, das Konsequenzen für die BürgerInnen hat. Das Afrikabild in den afrikanischen und westlichen Medien blockiert bei den afrikanischen und westlichen BürgerInnen das Gefühl der Gleichheit aller Menschen. Es bestätigt Stereotypen. Dies ist nicht zu unterschätzen.

Zum Glück gibt es seit einigen Jahren immer wieder neue Medien, die sich kritisch mit dem Afrikabild in den Medien beschäftigen, beispielsweise Africa Positive, Africa Libré, JournAfrica usw. Obwohl diese Medien vom großen Publikum kaum bekannt sind und ihre Arbeit schwer und langsam ist, wünsche ich ihnen viel Erfolg!

Joel Kossivi

Lesen Sie auch das Interview „Du vergeudest Deine Zeit!“? zum Thema junge Menschen mit Migrationshintergrund und entwicklungspolitischem Interesse mit Joel Kossivi Agnigbo

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